MSV Neuruppin - Hertha BSC 1:2, 21.Juli 2004, 3.500 Zuschauer

Die Hauptstädter fahren aufs Land

Gestern testete die Hertha beim Oberligisten MSV Neuruppin. Grund genug, mit einigen Kommilitonen nach Semesterende raus aufs Land zu fahren. Mein Bruder hatte Karten für je 5 Euro besorgt. An der Abendkasse wurden 7 Euro verlangt. Die wenigen Tribünenkarten waren seit Wochen ausverkauft, wir bekamen dagegen Plätze auf der Gegengeraden.
Etwa anderthalb Stunden vor dem Spiel überholten wir den Mannschaftsbus der Herthaner, kurz vor Neuruppin-Süd war das. Ich konnte Andi Thom erkennen, der gerade Kreuzworträtsel löste. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass er sich Gedanken machte, wer beim Aufwärmspiel 5 gegen 5 vor dem Anpfiff gelbe Leibchen bekommen sollte.
Wir fuhren noch schnell in mein Heimatdorf, ich gab Mutti nen Kuss und holte die Karten ab. Wir fuhren dann weiter nach Downtown-Neuruppin, mein Bruder folgte uns mit dem Fahrrad, da das Auto bereits mit fünf angeheiterten Studenten gefüllt war.

Eine Stunde vorm Spiel war das Volksparkstadion (ein besserer Sportplatz, der vor einigen Jahren renoviert wurde) schon gut gefüllt und schließlich mit 3.500 Zuschauern ausverkauft.
Uns blieb noch genügend Zeit um sich eine Stadionwurst zu besorgen und eine Leitung vom Bierstand zu unseren Plätzen zu legen. Unsere Tipps schwankten an diesem Sommerabend zwischen Siebeneins und Elfeins.
Irgendwann schoss Andi Thom die Torhüter Fiedler und Tremmel warm. Erst eine halbe Stunde vor Anpfiff betraten dann auch die Feldspieler den Rasen, auf dem ich selbst vor Jahren auch schon spielte. Bis auf den gesperrten Rehmer, den verletzten Bastürk und Marcelinho waren alle dabei.
Thom stellte eine Viertelstunde vor Anpfiff ein paar Hütchen auf und verteilte gelbe Leibchen. Auch Herthinho war inzwischen in sein Kostüm gestiegen und machte Stimmung im blauweißen Rund. Die Vereinsfarben der Neuruppiner sind ebenfalls blauweiß, die meisten Fans waren allerdings der Hertha zugehörig. Hertinhos Kasperaden wurden musikalisch begleitet von den Sommerhits aus dem Jahre 1997, als Jan Ullrich die Tour de France gewann.

Hertha lief mit dieser 11 auf: Fiedler, Friedrich, Kovac, da Silva, Bobic, Simunic, Wichniarek, Hartmann, Schröder, Rafael und Marx. Eingewechselt wurden u.a. Neuendorf, Tremmel und Madlung.
Bereits in der ersten Minute hatten die Berliner großes Glück, dass Ben-Hatira frei vor Fiedler scheiterte. Von da an waren die Herthaner aber hellwach und übernahmen das Zepter. In der zwölften Minute traf Thorben Marx mit einem direkt verwandelten Freistoß in die Maschen.
Hertha machte weiter Druck, besonders über rechts mit dem mir bis dahin unbekannten Oliver Schröder. Neuruppins Torhüter Unger (muss ein Neuzugang sein, kannte ich bisher nicht) hielt tadellos und verhinderte mehrmals eine höhere Führung der Hauptstädter.

Nach dem Wechsel ließen es die Gäste ruhiger angehen und bekamen in der 57. Minute die Quittung in Form des Ausgleichs durch den Neuen Prymula, der Tremmel überwand. Ein Pfostenschuss von Rogoli nur wenig später brachte den Bundesligisten ins Wanken, doch Oliver Schröder wies die Gastgeber in die Schranken. Der Siegtreffer für den in Fankreisen hoch gehandelten Titelaspiranten fiel in der 82. Minute.

Vor dem Abpfiff machte ich mich auf den Weg zur Hauptribüne in der Hoffnung mit Andi Thom ein paar Worte wechseln zu können. Der geltungssüchtige Schiri pfiff jedoch überpünktlich ab und ich musste den Weg übers Feld nehmen um überhaupt eine Chance zu haben. Es dauerte eine Weile, bis ich in dem Getümmel auch nur annähernd jemanden gefunden hatte, der wie der Co-Trainer des zukünftigen Deutschen Meisters aussah. Dann sah ich ihn an mir vorbeihetzen und rief ihm zu: "Hey Andi, ich bins der Kevin..". Doch Andi hatte "Keene Zeit, ick muss arbeiten". Natürlich war er in Gedanken längst beim Auslaufen, musste er doch planen, wie viele Stadionrunden er seinen Spielern noch zumuten kann.
Meine Freunde tauchten auf und zeigten mir stolz ihre Eintrittskarten, die mit Autogrammen übersät waren, die zum Teil keinem Spieler mehr zugeordnet werden konnten.

Einige Spieler des MSV nahmen am Auslaufen der Berliner teil und anschließend bekam ich noch eine Chance beim viel beschäftigten PhanThom: "Andi, kenntst mich noch? Damals in Leverkusen und in Glasgow?" - "Ja, ick kenn dich noch", sprachs und war wieder weg. Immerhin bekam ich noch sein Kritzel auf meinem Ticket.
Ich trug das Celtic-Trikot, das er mir seinerzeit geschenkt hatte. Doch er konnte sich nicht an mich erinnern. Natürlich nicht, ist ja auch schon acht Jahre her.
War trotzdem ein netter Abend, hab ein paar Leute aus der Schulzeit getroffen und auch meinen alten Trainer von meinem letzten Fußballverein.

Als ich das elterliche Haus betrat, wurden gerade in Jena Elfer getreten. Nu gibts das frühe Duell Bayer-Bayern, das zu dem Zeitpunkt keiner braucht. Ungeschickt von Auge, der Öffentlichkeit zu verraten, dass er das Spiel verlieren möchte, am liebsten nach erneutem Elferschießen.

übersicht