9 Wenn einer Geburtstag hat
Jeder Popel fährt nen Opel, jeder Dussel
hat nen Fussel. So kennt Bradley das, so wurde ihm das beigebracht. Die von
Goethe und Schiller, um nur zwei von vielen zu nennen, die von Goethe und
Schiller also geprägte deutsche Literaturlandschaft wird in diesen Zeiten
beinahe täglich mit neuen impulsiven Werken aufstrebender Autoren beglückt, die
da Namen wie Dieter Bohlen oder auch Stefan Effenberg tragen. Ich hab’s allen
gezeigt, auch denen, die’s nicht sehen wollten. Oder gerade denen? Und was genau
eigentlich? Nichts als die Wahrheit. Ach so.
Neulich hatte Bradley mal wieder
Geburtstag und lud sich einige Leute in die WG. Er war in ein Alter gekommen,
mit dem man jede Chance verspielt hatte, nach Jugendstrafrecht be- bzw.
verurteilt zu werden, was seine Geduld augenscheinlich auf eine harte Probe
stellte, als ihm einer seiner Gäste ein Stück von einer Masse in die Bude trug,
die stark dem Inhalt eines Hundedarms ähnelte, sowohl vom Geruch her als auch
von der Oberflächenbeschaffenheit. Über den Schimmel in der Küche allerdings
regte sich schon lange keiner mehr auf, im Gegenteil, das Pferd wurde von den
Gästen gut in viele Party-Spielchen eingebunden.
Brads Vermieter gab schon einige Wochen vorher grünes Licht für die Party,
leider hatte er nichts schriftliches, aber dazu vielleicht später noch mehr.
Dafür zeigte man sich großzügig und entschädigte für den winterlichen
Heizungsausfall mehr als angemessen, dabei war der Wuppertaler Winter wirklich
nicht kalt in diesem Jahr. Aber der Wuppertaler Wohnungsmarkt gibt eben so
einiges her. Und der Wuppertaler Weihnachtsmarkt erst.
Bradley wurde jäh aus seinem Traum von der Wuppertaler Wein- und Witwenwoche
gezerrt, als unten von der Straße, er wohnte im ersten Stock, ein unheimlich
böses Geräusch sich einen Weg in Bradleys Ohrmuscheln suchte und fand. Sofort
stürmte er los, wandte sich an Schnapsleichen vorbei, die Balkontür
im Blick. Nur wenige Schlücke aus seinem Pappbecher später kam er auf dem Balkon
zum Stehen, derweil seine Augen das nasse, Laternenmusik erwidernde
Kopfsteinpflaster abtasteten um den Störenfried ausfindig zu machen. Was sich
anhörte wie eine heisere Oma, der man die Handtasche stahl, stellte sich nun entsetzlicherweise als der alte Leporello von Matt heraus. Das Gefährt hatte
seine besten Jahre sicher zu Zeiten, als die Leute noch von den Witzen Rudi
Carrells entzückt waren. Fahrer und Wagen wurden einzeln aufgetankt, einer mit
Bier, der andere mit Kölsch.
Während Brad sich wieder den Weibern Wuppertals hingab, tobte die Feier in
beiden Zimmern ohne Unterlass weiter.
In dem einen, etwas größeren Raum wurde das dort ansässige Dart-Brett mit
Mikado-Stäbchen beworfen, während aus den Boxen die ostdeutsche Rockgruppe Die
Prinzen schallte. Im anderen Zimmer, das um die Fläche von vier, fünf Bierkästen
kleiner war als das größere, lasen Klaus, Tim und Oliver aus einem
herumliegenden Schundheftchen. Aus der Anlage drang düstere Untergrundmusik.
Da die Polizei trotz der schon späten Stunde bisher der Fete noch nicht die
nötige Ehre in Form eines Hausbesuches nach nachbarlicher Beschwerde zuteil
werden ließ, musste noch irgendetwas Dummes unternommen werden. Der Vermieter
stimmte zwar der Party zu, aber das Grillen auf dem Balkon war natürlich
weiterhin nicht gestattet. Bradley und Co. versuchten es nun also auf die Tour.
Da niemand daran gedacht hatte, Grillfleisch, geschweige denn Grillkohle, zu
besorgen, war einmal mehr der Einfallsreichtum von Steve gefragt. Als er das
letzte Mal eine Entscheidung treffen musste, verfuhr er sich mit seinem Taes
Abizi nebst Mitfahrern um nicht weniger als 130 Kilometer. Was konnte da also
noch schief gehen? Einiges.
Zunächst wären da einmal alte Hefter, die sich in längst vergangenen Tagen, als
man noch zur Schule ging, angesammelt hatten. Rauf auf den Grill. Gibt ne schöne
rauchende Flamme. Was essen wir dazu? Heute schon jemand den Müll runter
gebracht? Rauf auf den Grill.
An dieser Stelle wurde es selbstredend so richtig eklig. Aber die Wirkung wurde
nicht verfehlt, wie sich herausstellte, als mehrere Streifenwagen um die Ecke
bogen. Dankend bedienten sich die Herren und die Dame in Grün am Gegrillten und
waren schier gerührt als man ihnen Flensburger Pilsener anbot.
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